Investitionen in Bildung und Kultur in stürmischen Zeiten


Wir leben in unruhigen Zeiten. Man kommt sich vor wie auf rauer See (wenn ich als Binnenländler dieses Bild nutzen darf), alles schwankt. Die Weltpolitik ist aus den Fugen geraten, in vielen Gesellschaften sind traditionelle Werte in Frage gestellt und auch in der Wirtschaft gibt es immer wieder einschneidende Ereignisse, die verunsichern.

Die natürliche Reaktion ist, dass die Menschen versuchen sich abzusichern. Um im obigen Bild eines Schiffs in rauer See zu bleiben, werden Schwimmwesten gehortet, es werden (aus Teilen des bestehenden Schiffes) Rettungsboote gebaut, und es beginnt ein Kampf um die besten Plätze. Diese zusätzliche Unruhe trägt nichts zur Stabilisierung des Schiffes bei. Im Gegenteil.

Übertragen auf Politik und Gesellschaft werden in solchen Zeiten Investition in Sicherheit und Infrastruktur getätigt. Die Linke versucht sich mit Initiativen zur sozialen Sicherheit zu profilieren. Die Rechte mit Ausgaben für Ruhe und Ordnung, generellen Sparübungen und die ganz Rechten versuchen mit Angstmache vor allem Wasser auf ihre Mühlen zu bringen, um – schlicht egoistisch – ihre Macht zu stärken.

In der Wirtschaft wird in solchen Zeiten gespart, fleissig restrukturiert und umgebaut. Die Firmen sollen dadurch schlanker und schlagkräftiger werden. Allerdings sind, um da hinzukommen, zum Teil riesige Investitionen und Abschreibungen vonnöten.

In solchen Zeiten haben es Kultur und Bildung besonders schwierig. Sie sind in den Augen Vieler «nice to have» und werden deshalb abgebaut. Dabei sind diese Ausgaben oft ein Bruchteil der Gesamtausgaben. Das heisst der Spareffekt ist kurzfristig und sehr überschaubar. Langfristig hat der Abbau aber gravierende Folgen!

Ich will mit der Beschreibung der Weltlage keine Angst schüren oder in Negativismus verfallen. Krisen – so unangenehm sie auch sind – sind ja nicht a priori negativ. Es gibt strukturelle Gründe für die oben erwähnten Probleme und vielleicht entstehen aus den Krisen neue, bessere Lösungen?

Die Voraussetzung ist, dass wir jetzt die richtigen Zeichen setzen.

Bildung befähigt Menschen Krisen zu bewältigen. Kultur trägt dazu bei sein Selbstbild zu hinterfragen und neu zu festigen.

Für Politik und Gesellschaft heisst das, eine Bildung zu ermöglichen, die für alle zugänglich ist, die Leute auf ihrem Niveau abholt und viele Möglichkeiten zur Entwicklung bietet. Es braucht ein Umfeld, das Bildung und Reflexion fördert und nicht zuletzt auch Investitionen zur Entwicklung bis zu Spitzenforschung und Innovation. 

Das Kulturschaffen braucht ebenfalls mehr Aufmerksamkeit. Wir tun heute viel zu wenig. Es braucht nicht unbedingt mehr Kulturproduktionen, aber es braucht bessere Löhne und viel mehr Vermittlung, damit eine vielfältige Kultur ein grösseres Publikum erreicht, und damit zum Stadtgespräch wird.

In Firmen ist es dasselbe: Weiterbildung ist eine Befähigung Verantwortung zu übernehmen. Sie gehört zu den wichtigsten Faktoren für die Zufriedenheit und Gesundheit der Mitarbeitenden. Dazu gehört immer wieder zu reflektieren, was ich jeden Tag tue; aus dem Hamsterrad auszubrechen und zu lernen ausserhalb der eingefahrenen Wege zu denken. Ergänzend braucht es die Pflege einer sinnstiftenden Firmenkultur, die sich nicht auf drei Slogans beschränkt. Eine Firmenkultur, die täglich gelebt und dynamisch von allen weiter entwickelt wird.

Ja, es sind stürmische Zeiten. Aber gerade die Investitionen in Kultur und Bildung sind zentral für Entwicklung und Stabilität und tragen langfristig die besten Zinsen.

Dan Wiener

erschienen bei Bajour „Auf unruhiger See“ am 8.4.2024